Nach Corona-Schock: Littering nimmt wieder ab
Nachdem die Littering-Situation in der Schweiz während der «Corona-Jahre» 2020 und 2021 angespannt war, wurde der Trend zur Verbesserung von vor der Pandemie 2022 wieder fortgeführt. Das zeigen die Ergebnisse der jährlichen Umfrage der IG saubere Umwelt (IGSU).
In den vergangenen zwei Jahren schlugen viele Schweizer Städte und Gemeinden Alarm, die während der Lockdowns eine deutliche Zunahme des Litterings beobachtet haben. Die IGSU-Umfrage zeigt nun, dass sich die Situation nun wieder deutlich entspannt hat und sich der Trend hin zu einer Verbesserung der Littering-Situation fortsetzt. «Indem sich die Lage der Schweiz normalisiert hat, ist der öffentliche Raum wieder weniger unter Druck», weiss IGSU-Geschäftsleiterin Nora Steimer. «Zudem haben die Städte und Gemeinden mit verschiedenen Massnahmen auf das vermehrte Littering reagiert und auch die Medien haben das Problem aufgenommen und damit zur Sensibilisierung beigetragen.»
Bevölkerung nimmt Verbesserung wahr
Nur 7.6 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass am Ort der Befragung «eher viel» oder «viel gelittert wird. Vor einem Jahr lag der Wert noch bei 8.6 Prozent. 79.9 Prozent finden hingegen, dass vor Ort «eher wenig» bis «wenig» Littering liegt; 2021 waren noch 79.3 Prozent dieser Meinung.
Auch auf die gesamte Schweiz gesehen, hat sich die Situation verbessert: Während 2015 noch 25 Prozent der Befragten der Meinung waren, dass in der Schweiz «eher viel» oder «viel» gelittert wird, waren es 2022 noch 19 Prozent. Dass sich die Situation verbessert hat, zeigt sich auch daran, dass sich dieses Jahr nur noch 28 Prozent der Befragten «eher stark» oder «stark» von der Littering-Situation gestört fühlen. Vor sieben Jahren waren es noch 75 Prozent, 2021 waren es knapp 50 Prozent.
Fokus auf andere Sorgenkinder
Gemäss Dr. Ralph Hansmann, Dozent für Nachhaltigkeitswissenschaften an der ETH Zürich und wissenschaftlicher Leiter der IGSU-Umfrage, können mehrere Gründe dazu geführt haben, dass sich die Bevölkerung deutlich weniger an Littering stört: Einerseits unterstreiche das die Verbesserung der Situation in den vergangenen Jahren. Zudem seien auch die neuen Brennpunkte, die während der Lockdowns entstanden seien, grösstenteils wieder verschwunden, was die Bevölkerung zusätzlich beruhige. «Andererseits wird die Littering-Problematik im Vergleich mit Themen wie Corona, Krieg, Energiekrise oder Inflation möglicherweise auch als weniger prekär empfunden», vermutet Ralph Hansmann. Hinzu komme, dass die Bevölkerung erkannt habe, dass Kantone, Städte, Gemeinden und die IGSU mit vielen Massnahmen gegen Littering vorgehen. Das stimme ebenfalls positiv.
Mit neuen Massnahmen zum Erfolg
Tatsächlich haben viele Städte und Gemeinden ihre Massnahmen gegen Littering in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Die Stadt Aarau organisiert beispielsweise Sensibilisierungs-Events gegen Littering, bringt das Thema an die Schulen und hat eine Mehrwegbecherpflicht an städtischen Anlässen eingeführt. Das habe dazu beigetragen, dass sich die Littering-Situation nach der Pandemie deutlich verbessert habe, findet Regina Wenk, Leiterin Werkhof Stadt Aarau. In Zürich zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Stadt hat vor kurzem festgehalten, dass die Littering-Menge in den letzten Jahren stabil geblieben und sogar eine leichte Abnahme zu verzeichnen sei. Trotzdem lanciert Zürich laufend neue Massnahmen gegen Littering: «Einen positiven Effekt auf eine Reduktion von Littering versprechen wir uns von der neu lancierten Anti-Littering-Kampagne», so Niels Michel, Spezialist Dialog und Präsenz bei der Stadtreinigung von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich. Die Kampagne umfasse verschiedene Massnahmenpakete wie das Stellen von gut sichtbaren Abfallbehältern in ausreichender Anzahl, das Fördern von Mehrweggeschirr, zielgruppenspezifische Kommunikation und die Förderung von Raumpatenschaften.
Mehrweggeschirr und Sensibilisierung
Auf Mehrweggeschirr setzt auch die Stadt Bern: Bei Veranstaltungen gilt eine Mehrweggeschirrpflicht und für den Kaffee unterwegs spannt die Stadt mit dem Mehrwegbechersystem kooky zusammen. Zudem arbeitet die Stadt Hand in Hand mit dem Verein BERNcity, der das Littering mit einer Sauberkeitscharta unter Kontrolle halten will: Mit einem Beitritt zur Sauberkeitscharta verpflichten sich Unternehmen, weniger Abfall in Umlauf zu bringen und die Abfalltrennung zu fördern. Besonders wichtig sei in Bezug auf Littering aber vor allem Information und Sensibilisierung, ist sich Patric Schädeli, Abteilungsleiter Betrieb+Unterhalt der Stadt Bern sicher.
Ausbau der Abfallinfrastruktur
Die Stadt Lugano setzt hingegen vorwiegend auf den Ausbau seiner Abfallinfrastruktur: «Wir haben dieses Jahr die Zahl der Recyclingstationen im öffentlichen Raum erhöht, insbesondere an den am stärksten frequentierten Orten, wie dem Seeufer, den öffentlichen Plätzen und Veranstaltungsbereichen», erklärt Markus Brönnimann von der Abteilung Urbane Räume in Lugano. «Das hat mittlerweile zumindest optisch für einen Rückgang des Litterings geführt.»
Auch die Stadt Neuchâtel hat ihre Infrastruktur ausgebaut: Sie setzt auf Grossraumcontainer in der Nähe von Parks und Aschenbecher an den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel. «Es wurden bereits sehr gute Ergebnisse erzielt, doch wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen», findet Laurent Verguet, Leiter der Strassenverwaltung in Neuchâtel.
Mehr Engagement aus der Bevölkerung
Dass grosse Teile der Bevölkerung für die Littering-Problematik sensibilisiert sind und selbst aktiv zu einer sauberen Umwelt beitragen möchten, zeigt sich auch bei Massnahmen der IGSU. So verzeichnet die IGSU immer mehr Raumpatenschafts-Projekte, die von Städten, Gemeinden und Schulen durchgeführt werden. Auf www.raumpatenschaft.ch sind mittlerweile über 50 Projekte mit 600 Raumpatinnen und Raumpaten eingetragen. Und auch der nationale IGSU Clean-Up-Day konnte dieses Jahr so viele Menschen mobilisieren wie noch nie: Rund 55'000 Helferinnen und Helfer haben sich an rund 750 Aufräum-Aktionen beteiligt – das sind 100 Aktionen mehr als im Vorjahr. «Solche Zahlen machen deutlich, dass die vielen Massnahmen gegen Littering Wirkung zeigen», freut sich Nora Steimer. «Die IGSU wird auch in Zukunft alles daransetzen, die Bevölkerung weiter zu sensibilisieren und so dem Littering entgegenzuwirken.»
Zitate
Regina Wenk, Leiterin Werkhof, Stadt Aarau
«Sensibilisierungs-Events gegen Littering finden in Aarau in bestimmten Zeitperioden statt und wirken sich aktiv auf das Verhalten der Bevölkerung aus. Die Einführung der Mehrwegbecherpflicht und das grundsätzliche Verhalten der Bevölkerung haben die Littering-Situation nach der Pandemie deutlich verbessert. Das nachhaltigere Konsumverhalten wirkt sich positiv auf den Aussenraum aus. Die städtischen Anlässe mit Mehrweggeschirr haben zusätzlich andere Veranstalter dazu motiviert, coole Anlässe mit weniger Abfällen durchzuführen. Auch sind wir an Schulen aktiv und vermitteln den Kindern, wie mit Abfällen umgegangen wird.»
Patric Schädeli, Abteilungsleiter Betrieb+Unterhalt, Stadt Bern
«In den letzten Jahren haben wir unsere Massnahmen gegen Littering stetig ausgebaut. Die Mehrweggeschirrpflicht bei Veranstaltungen, der Start der Sauberkeitscharta und das neue Mehrwegbechersystem kooky für den Kaffee unterwegs sind diesbezüglich wichtige Schritte. Die Corona-Pandemie hat unsere Reinigung auf die Probe gestellt: Aufenthalt und Konsumation im öffentlichen Raum waren stark im Trend, entsprechend blieb viel Abfall liegen. Auch Littering an der Aare im Sommer ist eine Herausforderung. Beim Thema Littering ist die Wichtigkeit von Information und Sensibilisierung unbestritten.»
Markus Brönnimann, Abteilung Urbane Räume, Stadt Lugano
«Das Littering scheint nicht nachzulassen. Deshalb haben wir dieses Jahr die Zahl der Recyclingstationen im öffentlichen Raum erhöht, insbesondere an den am stärksten frequentierten Orten, wie dem Seeufer, den öffentlichen Plätzen und Veranstaltungsbereichen. Das hat mittlerweile zumindest optisch für einen Rückgang des Litterings geführt.»
Niels Michel, Spezialist Dialog und Präsenz bei der Stadtreinigung von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich, Stadt Zürich
«In Zürich befindet sich die Sauberkeit im öffentlichen Raum weiterhin auf einem hohen Niveau. Aufgrund der kontinuierlichen Messung der Sauberkeit passen wir unsere Reinigungskonzepte an, wodurch wir den öffentlichen Raum effizienter reinigen können. Einen positiven Effekt auf eine Reduktion von Littering versprechen wir uns von der in diesem Jahr neu lancierten Anti-Littering-Kampagne. Diese umfasst verschiedene Massnahmenpakete wie beispielsweise das Stellen gut sichtbarer Abfallbehälter in ausreichender Anzahl, das Fördern von Mehrweggeschirr, zielgruppenspezifische Kommunikation und die Förderung von Raumpatenschaften.»
Laurent Verguet, Leiter der Strassenverwaltung, Stadt Neuchâtel
«Nach einem komplizierten Jahr 2020 hat die Stadt Neuenburg ihre Initiativen zur Eindämmung des Litterings vervielfacht, und diese Bemühungen haben sich gelohnt: Unsere Ufer blieben in den letzten beiden Sommern relativ sauber. Wir haben Grossraumcontainer in der Nähe von Parks aufgestellt und Aschenbecher zum Mitnehmen verteilt, Aschenbecher an allen Haltestellen befestigt und Beschilderungen und Markierungen zur Sensibilisierung angebracht. Zudem können wir auf die aktive Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Jugendgruppen und Geschäftsleute zählen. Es wurden bereits sehr gute Ergebnisse erzielt, doch wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen!»
Littering-Umfrage der IGSU
Von Mai bis September 2022 befragten IGSU-Botschafter-Teams 2391 Passantinnen und Passanten in 34 Schweizer Städten und Gemeinden in allen Landesteilen zum Thema Littering. Gemeinsam mit Dr. Ralph Hansmann, Dozent für Nachhaltigkeitswissenschaften am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich, wurden die Antworten ausgewertet:
- Das Ausmass von Littering in der Schweiz wurde im Durchschnitt mit 2.64 beurteilt. Dies ist der niedrigste Wert seit dem Beginn der Umfragen im Jahr 2015 und entspricht einer Einschätzung von «mittel» mit Tendenz zu «eher wenig». Nur 19% der Befragten sind der Meinung, dass «eher viel» oder «viel» gelittert wird.
- Die Littering-Situation an Ort und Stelle der Befragungen wird weniger schlimm beurteilt als allgemein in der Schweiz. Im Durchschnitt mit 1.88, was «eher wenig» entspricht. Nur 7.6% der Befragten sind der Meinung, dass vor Ort «eher viel» oder «viel» gelittert wird.
- Rund 60% der Befragten sind der Meinung, dass es am Ort der Befragung heute genauso sauber ist wie ein Jahr zuvor. 26.8% nehmen eine Verbesserung wahr, rund 13.3% eine Verschlechterung.
- Vergleich Sprachregionen:
In der Deutschschweiz hat sich das wahrgenommene Ausmass des Litterings vor Ort gemäss der alljährlichen Befragung seit 2015 von anfänglich 2.3 zu 1.8 (≈«eher wenig») im Jahr 2022 verringert. Das Ausmass des Litterings in der Schweiz allgemein wird mit 2.9 für etwas stärker befunden als noch 2015 mit 2.8. Der Wert ist im Vergleich zum Vorjahr allerdings wieder gesunken, 2021 wurde das wahrgenommene Ausmass des Litterings in der Schweiz noch mit 3.0 bewertet.
Der Vergleich der Umfrageergebnisse in der französischen und italienischen Schweiz ist erst seit 2016 möglich, da 2015 nur Städte und Gemeinden in der Deutschschweiz befragt wurden. 2016 wurde die Situation für die gesamte Schweiz in der französischen Schweiz mit rund 2.6 bewertet, in der italienischen Schweiz mit 2.7. 2022 liegt die französische Schweiz bei 2.7 und die italienische Schweiz bei 2.1. Somit hat sich die Littering-Situation in den letzten Jahren gemäss der Befragung in der französischen Schweiz leicht verschlechtert, während sie sich gemäss den Befragten in der italienischen Schweiz leicht verbessert hat. Im Vergleich zum Vorjahr (französische Schweiz 2.8, italienische Schweiz 2.5) hat sich die Situation aber aus Sicht aller drei Sprachregionen verbessert.
Bezüglich der Situation an den Orten der Umfrage ist in allen drei Landesteilen eine merkliche Verbesserung im Vergleich zu den ersten Befragungen in 2015 bzw. 2016 feststellbar (D-CH: M2015 = 2.3 M2021= 1.8; FR-CH: M2016 = 2.6 M2021= 1.9 und genau gleich: IT-CH M2016 = 2.6 M2021= 1.9). - Knapp 30% der Befragten fühlen sich «eher stark» oder «stark» durch Littering gestört. Damit fühlen sich die Befragten klar weniger stark gestört als in allen zurückliegenden Umfragen. 2021 lag der Wert noch bei 50%. Der Mittelwert der Störung durch Littering liegt 2022 bei 2.5 (= zwischen «eher nicht» und «mittel»). Bei den Umfragen 2019 und 2021 lag der Wert noch bei rund 3.4.
Die Erhebung der IGSU erfasst subjektive Eindrücke der Befragten und erfolgte 2015 zum ersten Mal in dieser Form (Deutschschweiz). In den Jahren 2016, 2017, 2018, 2019, 2021 und 2022 wurde die Umfrage in allen Landesteilen durchgeführt. 2020 fand aufgrund von Covid-19 keine Erhebung statt.
Eine jährliche Wiederholung der Erhebung in den kommenden Jahren soll weitere Erkenntnisse über die Entwicklung des Sauberkeitsempfindens der Bevölkerung über die Zeit geben.
F1: Beurteilung des Littering-Ausmasses in der Schweiz:
Anzahl | Prozent | |
wenig | 337 | 14.17% |
eher wenig | 779 | 32.74% |
mittel | 802 | 33.71% |
eher viel | 326 | 13.70% |
viel | 135 | 5.67% |
Total | 2391 | 100.0% |
F2: Beurteilung des Littering-Ausmasses an Ort der Befragung
Anzahl | Prozent | |
wenig | 1024 | 42.85% |
eher wenig | 886 | 37.07% |
mittel | 299 | 12.51% |
eher viel | 110 | 4.60% |
viel | 71 | 2.97% |
Total | 2391 | 100.0% |
F3: Littering-Ausmass am Ort der Befragung im Vergleich zum letzten Jahr
Anzahl | Prozent | |
jetzt weniger | 485 | 26.83% |
gleich viel | 1083 | 59.90% |
jetzt mehr | 240 | 13.27% |
Total | 2391 | 100.0% |
F4: Störungsempfinden durch Littering
Anzahl | Prozent | |
überhaupt nicht | 807 | 33.88% |
eher nicht | 538 | 22.59% |
mittel | 367 | 15.41% |
eher stark | 297 | 12.47% |
stark | 373 | 15.66% |
Total | 2391 | 100.0% |
Interessengemeinschaft für eine saubere Umwelt (IGSU)
Die IGSU ist das Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering. Seit 2007 setzt sie sich national mit präventiven Sensibilisierungsmassnahmen für eine saubere Schweiz ein. Eine der bekanntesten Massnahmen ist der nationale IGSU Clean-Up-Day, der nächstes Jahr am 15. und 16. September stattfinden wird. Die Trägerschaft der IGSU bilden die IGORA-Genossenschaft für Aluminium-Recycling, PET-Recycling Schweiz, VetroSwiss, 20Minuten, Swiss Cigarette, McDonald’s Schweiz, Migros, Coop, Valora, Feldschlösschen und International Chewing Gum Association. Diese engagieren sich daneben auch mit eigenen Aktivitäten gegen Littering und stellen beispielsweise zusätzliche Abfallkübel auf, führen regelmässige Aufräumtouren rund um die Filiale durch oder organisieren Clean-Up-Aktionen mit der Bevölkerung.
Medienkontakt
- Nora Steimer, IGSU-Geschäftsleiterin, 043 500 19 91, 076 406 13 86, medien@igsu.ch