Erste Schweizer Gesamtübersicht bringt neue Erkenntnisse für die Littering-Bekämpfung
Erstmals liefert ein Forschungsprojekt eine Gesamtübersicht über die Littering-Situation in der Schweiz. Wo und warum wird gelittert, und was unternehmen die Behörden dagegen? Die Auswertung zeigt: Die Herausforderungen, aber auch das Engagement von Städten und Gemeinden sind gross. Jedoch entwickelt sich die Littering-Arbeit kaum weiter, weil oft die Ressourcen fehlen, um die Wirkung der verschiedenen Massnahmen zu messen. Mit einer mehrjährigen Feldstudie will die IGSU der Littering-Bekämpfung neuen Schub verleihen.
Plakate, Littering-Bussen, zusätzliche Abfallkübel und Clean-Up-Aktionen: Die Massnahmen von Städten und Gemeinden gegen Littering sind zahlreich und vielfältig. Allerdings sind Littering und Anti-Littering-Massnahmen in der Schweiz wissenschaftlich kaum erforscht. Deshalb hat das Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering IGSU gemeinsam mit der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW die erste Gesamtschau über die Littering-Situation in der Schweiz erarbeitet.
Gesammeltes Know-how von über 130 Schweizer Littering-Expert*innen
Mittels Online-Umfrage und Interviews wurde der reiche Erfahrungs- und Wissensschatz von über 130 Expert*innen abgefragt, die sich in Gemeinden und Städten tagtäglich mit Littering auseinandersetzen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind umfangreich. So macht die Studie deutlich, warum gelittert wird: Die Expert*innen führen besonders die zunehmende Nutzung des öffentlichen Raums sowie Gruppendynamiken wie Bequemlichkeit und bewusst provokantes Verhalten an. Auch über das «Wo» liefert die Studie interessante Erkenntnisse: Am häufigsten kommt Littering in Picknick- und Freizeitzonen vor, gefolgt von Haltestellen und Bahnhöfen, Schulen sowie Verpflegungszonen rund um Takeaways.
Wirksamkeit der Massnahmen kaum untersucht
Um Littering entgegenzuwirken, engagieren sich die Städte und Gemeinden enorm. Fokussiert wird auf die Bereiche Sensibilisierung, Reinigung, Infrastruktur, Repression und Abfallvermeidung. Zu den am häufigsten eingesetzten Massnahmen gehören Clean-Up-Days, das Aufstellen zusätzlicher Abfallkübel, die Erhöhung der Reinigungsintervalle und die Sensibilisierung an Schulen. Die befragten Expert*innen beurteilen die Wirkung der Massnahmen aus subjektiver Sicht in den meisten Fällen zwar positiv. Systematische Messungen zur Wirksamkeit werden jedoch nur in Ausnahmefällen durchgeführt. «Oft fehlen ganz einfach die Ressourcen für solch umfangreiche Evaluationen», erklärt Nora Steimer, Geschäftsleiterin der IGSU. «Das führt dazu, dass trotz grosser Anstrengungen ein Lerneffekt ausbleibt, sich die Littering-Bekämpfung nicht weiterentwickelt und jede Gemeinde für die Konzeption ihrer Kampagnen wieder bei null anfangen muss.»
Verhaltenspsychologie und internationale Forschung
Die IGSU will nun mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt Städte und Gemeinden dabei unterstützen, die Littering-Arbeit weiterzuentwickeln. Dafür wurden in einem ersten Schritt internationale Studien zu Anti-Littering-Massnahmen zusammengetragen und Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie hinzugezogen. «Verhaltenspsychologische Theorien können uns in der Bekämpfung von Littering einen grossen Schritt weiterbringen», erklärt Nina Tobler, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der FHNW. «So weiss man, dass auch Personen, die sich in aller Regel korrekt verhalten, in bestimmten Situationen littern – nämlich beeinflusst vom Ort, der Uhrzeit und ihrer Begleitung.» Damit wird klar, dass auf der einen Seite in der Bevölkerung die Grundhaltung aufgebaut und immer wieder bestätigt werden muss, dass Littern verwerflich ist. Auf der anderen Seite müssen die Menschen zusätzlich mittels Interventionsmassnahmen möglichst genau in den Momenten erreicht werden, in denen die Versuchung zum Littern besteht. Die internationale Forschung liefert dazu erste Hinweise, wie erfolgreiche Interventionsmassnahmen aussehen können: Die grössten Erfolge werden unter anderem dann erzielt, wenn die Menschen nicht in befehlendem Ton erreicht werden, sondern auf Augenhöhe und mit einem Augenzwinkern.
Mit objektiven Messungen und Tests zum Ziel
Mit Feldexperimenten und systematischen Vorher-Nachher-Messungen der Menge gelitterter Abfälle wird die IGSU in den nächsten Jahren Klarheit schaffen, welche Massnahmen in welcher Situation am besten wirken. Die Vorbereitungen für die Experimente im Feld laufen bereits, im Frühjahr 2025 werden erste Massnahmen getestet. Mit diesem einmaligen Ansatz kann die IGSU einen grossen Erkenntnisgewinn liefern und Gemeinden und Städte bei der Bekämpfung von Littering gezielt unterstützen.
Weitere Informationen sowie die publizierten Studien finden Sie hier: www.igsu.ch/forschung
Hier: Zusammenfassung Literaturstudie (2023) und Expert*innen-Befragung (2024)
IGSU – Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering
Die IGSU ist das Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering und setzt sich seit 2007 national mit präventiven Sensibilisierungsmassnahmen für eine saubere Umwelt ein. Eine der bekanntesten Massnahmen ist der nationale IGSU Clean-Up-Day, der dieses Jahr am 13. und 14. September stattfinden wird. Die Trägerschaft der IGSU bilden die IGORA-Genossenschaft für Aluminium-Recycling, PET-Recycling Schweiz, VetroSwiss, 20Minuten, McDonald’s Schweiz, Migros, Coop, Valora, Feldschlösschen, Coca-Cola Schweiz und International Chewing Gum Association. Diese engagieren sich daneben auch mit eigenen Aktivitäten gegen Littering und stellen beispielsweise zusätzliche Abfallkübel auf, führen regelmässige Aufräumtouren rund um ihre Filialen durch oder organisieren Clean-Up-Aktionen mit der Bevölkerung.
Medienkontakt
- Nora Steimer, IGSU-Geschäftsleiterin, 043 500 19 91, 076 406 13 86,
- Prof. Dr. Nina Tobler, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, 062 957 20 41, nina.tobler@fhnw.ch